Poop Noises

Poop noises probably. Women do NOT generally make poop noises in their bathroom. You try your best to be as quiet with your bodily functions as possible. Whereas I understand men are very open about theirs. Many women would giggle if they heard open farting & s**ting. (Tweet von Userin RebeccaAVelo)

Ja, das mach ich immer. Ich gickere und lache bei jedem einzelnen Furz- und Scheißgeräusch. Meanwhile gehen junge Frauen bei ihren Freunden nicht auf’s Klo, weil man Pinkel- und andere Geräusche hören könnte. Als würde Frauen beigebracht, ätherische Wesen zu sein, ohne körperliche Funktionen. Also außer gebären. Das aber bitte auch nicht so hysterisch. Und was der Uterus sonst noch veranstaltet, um überhaupt Kinder empfangen und gebären zu können, darüber schweigen wir uns bitte auch aus, während wir durch die Küche schweben und Männer wie kleine Kinder versorgen. Verdauung, Geräusche, Gerüche, alles Männersache, damit das mal klar ist. Ich könnte würgen (unhörbar und brechen natürlich auch nicht, das ist nur in Ausnahmefällen bei Schwangerschaften erlaubt, wenn Männer darüber Witze machen wollen), wenn ich so’ne Scheiße lese. Das ist ALLES so beschrubbt, manchmal fasse ich gar nicht, in wievielerlei Hinsicht dieses ganze Korsett aus vorgegebenem Verhalten richtig beschrubbt ist. So ein Tweet und es bricht eine Kaskade aus lächerlichen, unnatürlichen, beschrubbten Vorgaben und Clichées über mir zusammen.

Also, es gibt gerade wirklich wichtigere Themen, ich weiß, aber dieser Mist geht mir mein Leben lang schon so auf die Nerven.

Dass ich Ärger dafür gekriegt habe, dass die Rucksäcke meiner Brüder auf der Treppe liegen – weil ich als Mädchen sie nicht weggeräumt habe. Dass Lehrer beim Elternsprechtag explizit darauf hingewiesen haben, dass sie sehr selten Jungen, aber noch nie Mädchen erlebt hätten, die so frech seien. Dass ich für’ne Frau aber stark bin.
aber mutig bin.
aber gut autofahre.
aber dreist bin.
aber laut bin.
aber forsch bin.
aber “rangehe”.

Dass Mädchen sich Gebüsche suchen, in denen sie sich verstecken, damit niemand sie sieht – man wenn möglich nicht mal Unterhosenrand oder BH-Träger unter Kleidung sehen soll weil es im Zweifel kommentiert wird – während Jungs nicht mal gênant genug sind, um hinter einem Baum zu stehen. Einfach erwartet wird, dass Mädchen in der Küche und beim Tischdecken helfen, sich um kleinere Kinder kümmern, während Jungs noch mal auf die Wiese geschickt werden, wie kleine Tiere, die Auslauf brauchen, bevor sie an den Trog dürfen, Männer sie nicht mal dann beaufsichtigen müssen. Wir heimlich, still und leise nach Ob’s fragen, weil weder die Periode an sich bekannt sein, geschweige denn das Utensil sichtbar sein soll, weil’s peinlich ist, während Jungs laut grölend selbst ekelerregendste Geschichten zum Besten geben und sich dafür auf Schultern klopfen.

Mein ganzes Leben denke ich, das ist alles kompletter Mist und frei erfunden, warum lassen wir uns den Quatsch gefallen? Warum musste ich Leuten erklären, sie sollen mein Kind in Ruhe lassen, der darf auch mit 8, 9, 15 und 30 noch weinen, wenn ihm was weh tut. Wer hat gesagt: so, Schmerzempfinden, emotionales Reaktionsrepertoire, Nähebedürfnis kleiner Menschen – von einen auf den anderen Tag ist das magischerweise unterschiedlich! Die einen dürfen nicht nur nicht mehr weinen, sie fühlen es auch nicht mehr, während die anderen nur fühlen und das denken leider aus ist? Und wer sagt dann: ohja, total logisch!
Das ist wie der Reparaturbedarf bei technischen Geräten, der Verlust von Gefühlswelt und Bedürfnissen passiert einfach von Zauberhand, ist einprogrammiert, da kann man gar nichts machen.

Ich musste erklären, warum mein Kind Kuscheltiere so lange behalten darf, wie er will, Barbie-Filme gucken und cool finden darf, niedlich, warm und weich sein, kuscheln und sich geborgen fühlen, alles sein und fühlen darf, was er gerade ist und fühlt. Warum muss man sowas erklären? Das ist total unlogisch. Es braucht die ganzen erfundenen Parameter nicht, um sich als Geschlecht zu begreifen.

Mein Kind ist und fühlt sich männlich, auch wenn er sich wortreich emotional ausschüttet und Freund*innen am Telefon heim begleitet, weil sie sich bei Angst an ihn wenden. Und wenn wir reden und ich ihn total gut nachvollziehen kann, erfasse wie er sich warum fühlt, bin ich dann plötzlich auch ein Mann oder wird er zur Frau, weil er seine Gefühle in Worte fasst oder auch mich versteht? Macht es ihn weiblich, dass er hier in unserem zwei Personen Haushalt die Hälfte der Aufgaben übernehmen muss, macht es mich zum Mann, weil ich nicht einsehe, dass ich einem gesunden jungen Mann das Zimmer richte oder allein unseren gemeinsam produzierten Dreck wegzuputzen? Das ist alles Unsinn. Und es regt mich in jeder Dimension und Unlogik auf.

Wenn man Leuten die ganzen konstruierten Merkmale wegnimmt, sind sie auf sich zurückgeworfen, dann geht’s nur um eine gefühlte Sicherheit, die für jeden gelten sollte. Wer dann mit Organen und Organfunktionen kommt, reduziert nur auf andere Weise. Auch das ist ja eine ausgedachte Benennung, simplifizierende Bezeichnungen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Wir befinden uns in allen Identitätsdimensionen auf Spektren, die eben nie ausschließlich binär sind. Es ist nur einfacher (zu kontrollieren), wenn man alles in zwei Pole, in ein entweder oder zwingt. Aber in Wirklichkeit ist es -meines Erachtens- für ein kurzes Menschenleben und die mentale Gesundheit eigentlich viel besser, sich diesen Binaritäten und den angehängten Zwängen soweit wie möglich zu entziehen. Statt ein entweder oder als Bewertungsgrundlage und Stressfaktor zu reproduzieren, lieber sich selbst und anderen vielleicht und sowohl als auch angedeihen zu lassen. Es ist schön, wenn die Identität an bestimmten Stellen eineindeutig ist, aber eigentlich auch nichts besonderes, wenn es eben nicht so ist. Es müsste nur ankommen, dass eigentlich die Realität unsere Sprache diktieren soll und nicht anders herum unsere Sprache bereits ausreichen muss, um die Realität zu beschreiben – deswegen die Sprache nicht verändert werden darf, damit die Illusion einer einfachen binären Welt aufrecht erhalten werden kann.

Jeder einzelne Aspekt der Welt befindet sich permanent in Veränderung. Warum müssen wir etwas in einem Moment bezeichnen, mit Merkmalen und Attributen versehen und diese Momentaufnahme muss dann für immer so stehen bleiben, obwohl das Bezeichnete selbst längst als mehrdimensional erkannt wurde?

Dieser Beitrag ist zuerst auf Twitter erschienen und wurde der besseren Lesbarkeit zu Liebe redigiert.