ADHS & Essen II

Lebkuchenstand

Bin ungern die Spielverderberin, aber möchte trotzdem gern daran erinnern, dass es bei Neurodivergenzen, Depressionen, Essstörungen usw. nicht um “nicht genug anstrengen” geht.

Antwort von User Dmg299: Schwer, aber nicht unmöglich. Anstrengen!
Tweet von User Dmg299 als Antwort an mich

Ich weiß nicht, ob das sarkastisch gemeint war, es geht mir auch weder um diesen einen User/Tweet, noch um diesen einen Thread, dem dieser Tweet galt!! Generelle Wahrnehmung, die hier nur Ausdruck findet.

Mein ganzes 47-jähriges Leben lang habe ich eine schwierige Beziehung zu Essen. Und damit meine ich erstmal nur die Beziehung zu Essen selbst, noch keine der schier unendlichen Relationen oder Querverbindungen zu Körpergefühl, Aussehen, soziale Interaktion usw. – nur zu Essen selbst.

Ich kann Sachen nicht essen, weil die Konsistenz Würgereiz auslöst, weil ich einen bestimmten Geruch wahrnehme oder sie Pelz auf der Zunge oder Jucken am Gaumen verursachen, weil sie sich komisch anfühlen oder komisch aussehen, weil sie zu scharf, zu süß, zu salzig oder zu fad sind.

Es ist ganz egal, ob das “ich kann das nicht essen” auf andere den Eindruck macht, als wäre ich eine 5jährige Picky-Eaterin oder es sensory overload oder wie auch immer konkret heisst, ich kann es nicht. Mein Körper verweigert es, sträubt sich, zur Not wird er krank.

Wenn ich einkaufe, schreibe ich eine Liste, die ich mit meinem Sohn gemeinsam durchgehe. Wir gehen alle Sachen durch, die wir letzte Woche mochten, ob wir sie nochmal kaufen können oder lieber nicht. Wegen Geld, aber auch ganz konkret, um nichts zu verschwenden.

The Mini ADHD Coach on Instagram about Disordered Eating

Wir machen einen Essensplan für die ganze Woche, Einkaufen ist für uns beide extrem anstrengend, ich kann mir das nicht täglich, bzw. alle zwei Tage antun. Wir gehen den Grundstock durch (Reis, Nudeln, Gewürze, Hygienezeug, Haushaltszeug), schreiben auf, wir beraten,

The Mini Adhd Coach on Instagram abou ADHD & Cooking

welche Gerichte wir kochen wollen (bekanntes oder neues) auf welche Snacks wir Lust haben könnten, was zum Frühstück oder für Abendessen da sein soll. Ob Leute kommen oder wir an Tagen nicht da sind zum Kochen usw.. Das alles, weil wir
1. ein Budget bedenken müssen,
2. weder Fleisch noch andere Lebensmittel verschwenden wollen.

Kann man dieses Gericht am nächsten Tag noch einmal essen oder anderweitig verbrauchen (aus Hühnersuppe am nächsten Tag Burritos machen z.B.)? Schaffen wir das, auch wenn wir keinen Antrieb haben, die Tage zu voll, die Gericht zu aufwendig sind?

Was machen wir an den Tagen mit wenig Zeit zu viel zu tun? Mögen wir dies oder das an zwei Tagen oder lieber nicht? Dann fahre ich einkaufen und freue mich, wenn ich die zwei Zettel nicht vergessen habe (einen Essensplan, eine Liste), sonst muss der Junge sie für mich abfotografieren und zusenden.

Mollys ADHD Mayhem on Twitter: Binge eating disorder: The eating disorder that overlaps with ADHD the most is binge eating disorder. Many people with ADHD Use food to satisfy their brain’s need for stimulation even when they’re not hungry.

Ich fahre zuerst zum Diskounter, um alle Grundsachen zu kaufen. Wenn da was nicht da ist, macht es mich schon nervös. Erinnere ich mich im nächsten Laden dran, sehe ich das zwischen den durchgestrichenen Sachen? Geht sich alles mit Ersatz zum Preis i.and. Laden aus?

Dann komme ich nach anstrengenden zwei Stunden nach Hause, wir packen zusammen aus, freuen uns über Snacks oder etwas Neues zum probieren. Dann passiert es, dass die Sachen Mindeshaltbarkeitsdaten haben, die nicht zum Plan passen, das Umstellen stresst uns beide, aber es geht.

Aber dann haben wir Dienstag doch beide keine Mauke zum Kochen, es kommt Besuch oder es wird spontan was unternommen, dann zaubert man was anderes, hui das macht Spaß und schon ist der Salat für Dienstag geplant aber liegt am Freitag, Samstag, Sonntag immer noch im Kühlschrank.

Warum auch immer das wie auch immer passiert, oder auch: wie auch immer ich mich anstrenge, plane, berechne oder will, es klappt einfach nicht. Nicht immer, nicht jeden Tag, manchmal gar nicht. Dann fühle ich mich schlecht, ich hasse Verschwendung, ich habe ein schlechtes Gewissen ich bin schlechtes Vorbild, Umweltsünderin, Planetenbedroherin, die armen Menschen, die für mein Essen geschackert haben, elendig. Mein Planungs-, Einkauf- und Zubereitungsprozess hat an sehr, sehr vielen neuralgischen Punkten Sollbruchstellen. Nichts daran ist einfach.

Das kann man sich wahrscheinlich wirklich nicht vorstellen, wenn man entweder entspannt alle zwei Tage nur für zwei Tage einkauft, wenn man an drei Tagen mit Resten happy ist, wenn man sich über Kosten u.ä. wenig Gedanken machen muss, aber vor allem kann sich wahrscheinlich auch niemand ohne ADHS, Depressionen usw. vorstellen, was es mit einem macht, wenn man mit 46 endlich gesagt bekommt, dass es für das lebenslange Gefühl des Versagens, nicht Hinkriegens wie alle anderen, nicht gut genug sein, nicht erwachsen, verantwortungsvoll, klug, fleißig usw genug seins, es für das stete underachievement des gifted kids tatsächlich einen Grund gibt.

Man es eben nicht nur “genug wollen” muss, es eben nicht “einfach” ist, es eben nicht “nur” dies oder das oder jenes ist, sondern man für das Reissen bestimmter Hürden schlicht nichts kann.

Weder das Ausmaß der Selbstzerfleischung für alles, was man intellektuell oder körperlich können SOLLTE, es aber eben nicht schafft, noch die Trauer um all die Lebenszeit, die man mit Selbsthass verbracht hat, noch die Erleichterung oder das endlich locker lassen und sich selbst verzeihen ist etwas, das für neurotypische Menschen nachvollziehbar ist, glaube ich. Ich arbeite mich ja selbst noch durch die vielen Aspekte und dividiere Trauma Response, Depressionen und ADHS auseinander, finde mich in meinem Lebensrhythmus, Fähigkeiten und work-arounds für Dysfunktionen ein.

Deswegen will ich tatsächlich niemandem Vorwürfe machen, fühle mich weder angegriffen oder möchte mich groß rechtfertigen, sondern nur darauf hinweisen, dass ein sehr lapidar dahingeworfenes “das ist jawohl einfach”, “das geht ja schnell” oder “das sollte wohl kein Problem sein” eben nicht für jeden so ist, so eloquent, schnell, fleißig, klug, fix, zackig, umtriebig, interessiert, begabt oder auch ‘normal‘ jemand wirkt.

Gerade für Menschen mit linker Haltung – mit dem Wunsch nach einer besseren Gesellschaft – wäre manchmal hilfreich, sich den Aufstieg auf das hohe Ross der worauf auch immer begründeten moralischen Überlegenheit und das ständige Urteilen über wirklich alles, Abfälligkeit und Überheblichkeit zu sparen und nicht wie banalste FDP-Dullies Leuten zu unterstellen, sie strengten sich nur nicht genug an, sie müssten halt wollen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf Twitter erschienen und wurde der besseren Lesbarkeit zu Liebe redigiert.

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VG Wort / Skalierbares Zentrales Messverfahren Wir nutzen das „Skalierbare Zentrale Messverfahren“ (SZM) der INFOnline GmbH (INFOnline GmbH, Brühler Str. 9, D-53119 Bonn. ) für die Ermittlung statistischer Kennwerte zur Ermittlung der Kopierwahrscheinlichkeit von Texten. Dabei werden anonyme Messwerte erhoben. Die Zugriffszahlenmessung verwendet zur Wiedererkennung von Computersystemen alternativ ein Session-Cookie oder eine Signatur, die aus verschiedenen automatisch übertragenen Informationen Ihres Browsers erstellt wird. IP-Adressen werden nur in anonymisierter Form verarbeitet. Das Verfahren wurde unter der Beachtung des Datenschutzes entwickelt. Einziges Ziel des Verfahrens ist es, die Kopierwahrscheinlichkeit einzelner Texte zu ermitteln. Zu keinem Zeitpunkt werden einzelne Nutzer identifiziert. Ihre Identität bleibt immer geschützt. Sie erhalten über das System keine Werbung. Viele unserer Seiten sind mit JavaScript-Aufrufen versehen, über die wir die Zugriffe an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) melden. Wir ermöglichen damit, dass unsere Autoren an den Ausschüttungen der VG Wort partizipieren, die die gesetzliche Vergütung für die Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke gem. § 53 UrhG sicherstellen. Es werden hierbei Nutzungsdaten und Metadaten der Nutzer verarbeitet, wobei die IP-Adressen gekürzt werden und die Messverfahren pseudonym sind. Die gekürzte IP-Adresse wird maximal 60 Tage gespeichert. Die Nutzungsdaten in Verbindung mit einem pseudonymen Zuordnungswert („Identifier“) werden maximal 6 Monate gespeichert. Den Nutzern steht ferner ein Opt-Out zur Vefügung, um der Erfassung zu vorgenannten Zwecken zu widersprechen: https://optout.ioam.de. Weitere Informationen können Sie der Datenschutzerklärung von INFOnline entnehmen https://www.infonline.de/datenschutz/benutzer.

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