Stille Teilhaber

Dieser [ACHTUNG! Folge-] Beitrag zu meinem Beitrag zeigt einige meiner Probleme zu diesem Thema schön auf.

Erstens: in was für einem Gesellschaftskonstrukt ist es richtig und gut, eine Person betreut gemeinsame Kinder alleine, die zweite Person verantwortlich für die gemeinsamen Kinder? Wo ist da ein Vater (in sehr seltenen Fällen die Mutter) eines Kindes, statt stillen Teilhaber*innen am Projekt Kind?

Die Änderung von ‘kümmert sich gar nicht‘ zu ‘kümmert sich ein wenig‘ rechtfertigt bei dieser Denkart schon weniger Unterhalt. Es ist zwar immer noch kein Vater in Sicht, der Bezug zu seinem Kind will, denn der will ja in erster Linie Unterhalt sparen. Das gelingt dann schon durch z.B. einen Samstag plus einen Sonntag. Eine sehr sympathische Einstellung und voll daran orientiert, Anteil am eigenen Kind zu haben. Sehr sehr fair, dass so jemand, der sich schließlich zur Mühsal des ‘ein wenig kümmern‘ – noch einmal: um sein eigenes Kind – gezwungen sieht, schon ein paar Kröten sparen will.

Zweitens: überdurchschnittlich kümmern meint in den häufigsten Fällen mehr als ein wenig, also vermutlich zwei Samstage plus zwei Sonntage und vielleicht noch einen Werktagsnachmittag. Wow. Standing ovations. Dann “muss der andere was aus seinem Einkommen beitragen” und kriegt “horrende Steuerfreibeträge”.

Ich weiß nicht wer Männern – wie oben gezeigten User – erzählt hat, dass Unterhaltszahlungen bedeuten, dass Unterhaltsempfangende keine Versorgung aus ihrem eigenen Einkommen leisten und ob der Gedanke je gekommen ist, dass eben wegen dieser eigenen Leistungen der Steuerfreibetrag überhaupt vorhanden ist. Die meisten Unterhaltspflichtigen zahlen Mindestunterhalt, wenn sie denn überhaupt zahlen. Die Unterhaltsempfangenden müssen immer aus eigenem Einkommen für die Versorgung aufkommen. Der Mindestsatz oder Vorschuss begleicht nicht die reale Versorgung eines Kindes.

Ich weiß, viele finden es ganz normal, dass Alleinerziehende im Wohnzimmer schlafen, damit das Kind einen eigenen Raum hat, aber ganz grundsätzlich muss dieser Elternteil Wohnfläche, Energie, Wärme, Nahrung, Kleidung, Gesundheitsvor- und fürsorge leisten, Schulmaterial besorgen usw. Das auch, wenn das Kind an Wochenenden beim anderen Elternteil ist. Auch, wenn Papa einmal schnieke Schuhe, die gerade eben passen, kauft. Oder ein Eis ausgibt. Nichts davon wird von Mindestunterhalt oder Vorschuss vollständig geleistet. In welcher Welt ist das nicht klar?

Und: 125€ Kindergeld? Na, ich weiß nicht, aber da fordert wohl jemand die Hälfte des Kindergeldes ein, obwohl der Steuerabsetzbetrag gewählt werden könnte, damit die Alleinerziehende 250€ Kindergeld kriegen könnte? Also Wochenendunternehmungen würden in dem Fall 125€ ausgeglichen? Alleinerziehenden wird hier wieder unterstellt, sie würden sich bereichern wollen oder ‘nichts vom Kuchen‘ abgeben wollen, der Kuchen, der aus Mindestunterhalt oder Vorschuss besteht und von den Alleinerziehenden zu 100% aufgestockt wird.

In den allermeisten Fällen fürchten sich Alleinerziehende tatsächlich davor, dass sie etwas vom sehr reichhaltigen 437€ Mindestunterhalts-Kuchen abgeben müssen, wenn der Vater exakt nur aus diesem Grund überhaupt mehr als “ein wenig kümmen” anbietet. Weil es eben nicht um tatsächliches Kümmern, verpflegen, ausstatten, hin- und herkutschieren usw. geht – davon sich auch exakt nichts ändert, ganz gerne nicht mal Hausaufgaben gemacht werden – sondern um bloßes Stundenaufstocken zur Einsparung. Und das hat tatsächlich immer noch nichts mit Vaterschaft am eigene Kind zu tun.

Wie kommt jemand dazu, 2023 immer noch absolutes bare minimum am eigenen Kind als allererstes zur Aufrechnung, bzw. Kleinrechnung zu verwenden und Leuten bei diesen Beträgen Bereicherungsabsichten zu unterstellen? Aber dann “ich zahle ja Unterhalt an die Mutter deswegen muss ich nichts mehr zusätzlich leisten” für richtig hält? Es gruselt mich, wie schambefreit sehr viele hier ein grundsätzlich ungerechtes System richtig finden und dabei die eigene Bevorteilung nicht nur großzügig ausblenden, sondern noch Benachteiligung konstruieren, um überall vor allem an der eigenen Verantwortung zu sparen.

Das sind Eure Kinder. Ihr habt in den meisten Fällen zumindest ein paar Monate bis Jahre mit denen gelebt. Und es fällt Euch nicht ein zu fragen “wie können wir das für alle möglichst so gestalten, dass ich mein Kind nicht zu häufig vermisse, es dem Kind gut geht, es nicht in Sorgen, Zwietracht und echter Not erstickt?” Nein, stattdessen werden Gedanken wie: “diese Frau soll gefälligst so schnell wie möglich so viel wie möglich arbeiten, damit ich meine Knete behalten kann, mal schauen, ob ich jedes 2. Wochenende vielleicht Lust auf Vaterschaft habe, aber dafür will ich weniger zahlen” für normal, richtig und begründet erklärt.

Unterhaltspflichtige zahlen dafür, dass das Kind einen ähnlichen Standard erleben soll, wie es den in gemeinsamen Haushalt (in dem neue Kinder erstaunlicherweise nicht um Versorgung bangen müssen) hätte haben können, gut aufwachsen können, alle Chancen wie andere Kinder hat, deren Eltern sich nicht trennen. Ihr versorgt nicht die verhasste, nervige, “crazy” Ex, sondern mittels ihr Eure eigenen Kinder. Zu denen ihr wenn nicht Liebe, zumindest Verantwortung empfinden solltet.

Kinder sind lebende Wesen, die ihr selbst gezeugt habt und hoffentlich in gemeinsamer Elternschaft mal als liebens- und versorgenswerte Wesen anerkannt habt. Wie kann es Euch überhaupt über die Lippen kommen, nicht für diese Menschlein sorgen zu wollen?

[Zusatz-Info, weil Leute leider random endlose Peinlichkeiten unterstellen: ich bin selbst Alleinerziehende, der Vater mein Kindes hat immer möglichst nah bei uns gelebt, wir sind eng befreundet, er zahlt seinen Unterhalt verlässlich und will mit seinem Kind außerdem freiwillig viel Zeit verbringen, weil er Vater dieses Kindes ist. Man kann Dinge auch ungerecht finden, sich für Themen und Menschen einsetzen, die einen nicht unmittelbar betreffen. Erstaunlicherweise.]

Dieser Beitrag ist zuerst auf Twitter erschienen und wurde der besseren Lesbarkeit zu Liebe redigiert. Es ist außerdem ein Folgebeitrag zu diesem hier.